Beide, Israelis und Palästinenser, sprechen von „der anderen Seite“, wenn sie übereinander sprechen. Damit ist gemeint, dass man sich unterscheidet, dass man anders ist, eine andere Religion hat und eine andere Kultur pflegt. Aber allein das Anders-Sein wäre ja nicht das Problem. Mit „der anderen Seite“ ist auch immer der Feind gemeint.
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Ich möchte deshalb nicht von der anderen Seite sprechen, ich könnte es auch nicht: Als Europäerin kann ich mich frei bewegen, kann in Israel leben und in die Westbank reisen. Ich bin kein Feind und niemand ist mir feindlich gesonnen. Die Beschreibung „eine andere Welt“ trifft es für mich besser, denn das ist das, was ich erfahre, wenn ich mit dem arabischen Bus von Jerusalem nach Ramallah fahre. Der Bus überquert den Checkpoint Qualandia und alles ist anders: Die Straßen sind schlechter, überall sieht man Autowracks an der Straße liegen, Müllberge brennen, die Häuser sind schmuckloser und einfacher. Und der Hummus ist besser (klar, das bestätigen auch Israelis). Als Europäerin ohne Kopftuch fällt man sehr auf: Die Menschen, Frauen und Männer, starren einen recht unvermittelt an – nie unfreundlich oder unangenehm, doch neugierig und fragend. Die Straßenverkäufer und Gemüsehändler rufen: „Hello, welcome to Palestine!“ Alle sind beschäftigt und wuseln durch die Straßen, erledigen Einkäufe auf dem Markt, gehen zum Friseur oder zum Fleischhändler und bekommen Lieferungen für ihren Laden.
Wenn ich es mir recht überlege, ist es gar nichts so anders als in Israel … in der anderen Welt.